Semana Santa in Antigua

Also wenn du irgendwann im Zeitraum zwei Wochen vor bis eine Woche nach Ostern in Antigua bist wirst du ganz bestimmt Männer in violetten Araberroben sehen. Und auch sonst mangelt es der Stadt in der Zeit garantiert nicht an Menschen: Ganz Zentralamerika strömt nach Antigua um am hierzulande wichtigsten christlichen Fest des Jahres teilzunehmen.

Violette Araberroben
Violette Araberroben

Die Gewänder stehen fürs Fasten und auch Kinder tragen sie. Die Frauen ihrerseits tragen Trauerkleider welche die Trauer Marias um ihren fastenden Sohn darstellen sollen.

An den Wochenende und teilweise auch an den Tagen unter der Woche werden riesige Teppiche, genannt „Alfombras“, auf die Strassen aufgetragen. Sie bestehen oft aus Sägemehl, manchmal auch aus Heu, Blumenblättern oder anderen Materialien.

Alfombra aus Heu und Blumenblättern
Alfombra aus Heu und Blumenblättern

Was sie alle gemeinsam haben ist ihre Schönheit und ihre oft unglaublich aufwändige Gestaltung.

Alfombra aus Sägemehl
Alfombra aus Sägemehl

Und dann gibt es die Prozessionen, das Gegenstück zu den Alfombras: Wann immer du einen Alfombra siehst, kannst du dir sicher sein, dass er in ein paar Stunden nicht mehr da sein wird, denn darüber stolzieren, je nach Grösse ihrer Bürde, 20-60 violette Männlein mit einer gigantischen Statue auf ihren Schultern.

Die überdimensionale Statue
Die überdimensionale Statue

Die Statue zeigt Jesus, der seinerseits ein ebenfalls überdimensionales Kreuz trägt sowie ein paar Römer mit Streitkarren, Speeren und anderem überlebenswichtigem Equipment. Verfolgt werden die Träger jeweils von einem Trauerorchester, gekleidet ganz in Schwarz, welches die traurigsten Lieder in ihrem Repertoire spielt.

Das traurige Trauerorchester
Das traurige Trauerorchester

Dann folgen etwa 100 Deprimierte und Paparazzis wie ich und ganz zu letzt das meiner Meinung nach traurigste der ganzen Prozession: Etwa 10 Männer mit Schaufeln und Besen und ein kleiner Lastwagen.

Traurige Aufräumarbeiten
Traurige Aufräumarbeiten

Die ganze Prozession ist bereits über die wunderschönen Alfombras getrampelt und jetzt werden sie einfach aufgewischt. Fertig. Wenn es an demselben Tag noch einen weiteren Umzug auf dieser Strasse gibt, machen sich die Einheimischen gleich daran einen weiteren Teppich herzurichten.

Zurück an die Arbeit
Zurück an die Arbeit

Bei der ersten Prozession dachte ich noch „Oh wow, cool“, dann stellte ich fest, dass praktisch jede Kirche in Antigua im Verlauf der nächsten zwei Wochen ihre eigene Prozession haben würde.

Und Antigua hat viele Kirchen.

So ging das weiter, zwei Wochen, ohne viel spannender zu werden. Am Palmsonntag gab es eine etwas grössere Prozession und irgendwann gab es auch noch eine speziell für Kinder. Doch wirklich interessant wurde es erst wieder am Freitag Morgen um 2 Uhr. Yep. Mitten in der Nacht. Wieso? Keine Ahnung. Jedenfalls versuchte ich mich gemeinsam mit meinen anderen Homestay-Bewohnern wachzuhalten bis der Spass losging.

Ein besonders langer Alfombra
Ein besonders langer Alfombra

Als es dann so weit war liefen wir raus auf die Strasse und stellten sofort fest, dass wir nicht die einzigen Spinner waren, die Nachts um zwei durch die Gassen streiften. Wir sahen Alfombras die alle Alfombras der vorherigen Wochen lächerlich aussehen liessen. 10 Meter lang, 20 Meter lang, Muster von Vögeln, Blumen, Menschen und Abstraktem. Es gab sie in der ganzen Stadt, dutzende davon, überall.

Ein Blumenkorb
Ein Blumenkorb

Und dann gab es noch die Römer. Hoch zu Ross preschten sie durch die Strassen, bewaffnet mit Speer und Schild und Fackeln auf der Suche nach Jesus. Schliesslich marschierten sie zur Iglesia La Merced wo sie ihre Suche beendeten.

Die Römer am einmarschieren
Die Römer am einmarschieren

Einer der Römer verkündete im Namen von Pontius Pilatus, dass Jesus ans Kreuz genagelt werden solle, dann marschierten die Soldaten in die Kirche und das wars.

Ich war müde und ging schlafen, doch das aufbleiben hatte sich definitiv gelohnt. Morgens waren die Alfombras weg, die Prozessionen waren durchgekommen und hatten alles zerstört.

Im Verlaufe des Tages gab es weitere Prozessionen und Abends konnte man im Parque Central dutzende Statuen vom ans Kreuz genagelten Jesus sehen.

Jesus am Kreuz
Jesus am Kreuz

Am Samstag änderte sich dann die Atmosphäre. Die Hauptattraktion waren zwar immer noch die Prozessionen, doch diese sahen jetzt ganz anders aus. Statt Jesus-Statue von Männern wurden nun Maria-Statuen von Frauen durch die Strassen getragen, statt violetten Roben trugen die Leute nun alle Schwarz und statt hundert Zuschauer gab es jetzt tausend Zuschauer.

Aus Violett wird Schwarz
Aus Violett wird Schwarz

Das ganze gipfelte erneut Abends im Parque Central, wo hunderte von Menschen mit einer Kerze in der Hand zuschauten wie die riesige Maria-Statue an der Cathedral vorbei getragen wurde. Ein Opernsänger sang „Anna Maria“ und der Pfarrer hielt eine Rede.

Die Maria-Statue vor der Cathedral von Antigua
Die Maria-Statue vor der Cathedral von Antigua

Und das war es dann mehr oder weniger. Am Sonntag gab es nur noch eine einzige, kleine Prozession, bei der die Leute viel fröhlicher schienen und eine Statue vom wiederauferstandenen Jesus getragen wurde.

Wiederauferstandener Jesus am Sonntag
Wiederauferstandener Jesus am Sonntag

Es ist wahr, und das kommt in diesem Beitrag wohl auch ziemlich stark rüber, dass sich die ganze Show immer und immer wieder wiederholt. Es gibt wunderschöne Alfombras, eindrückliche Prozessionen und massenhaft Leute. Das war es dann aber auch. Grundsätzlich kann ich die Semana Santa von Antigua aber nur empfehlen und wenn du nächstes Jahr zu der Zeit in Guatemala bist solltest du unbedingt einen Abstecher nach Antigua machen!